Entfernung

An Familie Hartlaub
Cleversulzbach, 26. April 1841
An Familie Hartlaub
Cleversulzbach, 26. April 1841
Theuerste!
Das ganz Unglaubliche ist nun geschehen! Unsere Mutter ist gestorben, heut, kurze Zeit nach Mitternacht.
Was hab ich nicht heute schon Alles in Beziehung auf ihren Tod gedacht, gethan und angeordnet! und doch indem ich dieß jezt niederschreibe (die Sonne geht soeben unter) ist es mir, als schriebe das Jemand ausser mir, ein zweites Ich, und mir stehe noch immer frei es zu glauben oder nicht. Es ist ist aber wirklich so und unwiderruflich.
Ach seelig wie seelig ist sie gestorben sagt Clärchen. Ich konnte nicht dabei seyn, ich hatte gebeten es mir nicht gleich und nicht auf ein mal zu sagen, war aber wach geblieben. Um 12 Uhr befiel mich eine plötzliche Unruh und Angst der Ungewißheit, ich rief, es war Alles so still, da kam meine Schwester herüber, ganz thränenlos und ruhig wie ein Engel der von einer Himmlischen Botschaft bringt. Du darfst mirs sagen sprach ich, und so sagte sie mirs. – Mitwoch Nachmitt. 2 Uhr wird sie beerdigt werden ganz dicht bei jenem Grabe das wir so sehr verehren, rechter Hand nach unserm Garten zu. Der gute Dekan ANDLER wird eine Rede halten.
– Liebster! wenn das und Anderes vorüber ist so möchte ich mit Clärchen auf ein paar Tage zu Dir flüchten. Das ist ein Trostgedanke. Doch läßt es sich noch nicht gewiß bestimmen.
Wie ist es möglich daß wir hier fortleben? Was wir ansehn, wo wir stehen und gehen, da sprichts von ihrer lieben Gegenwart, die nimmer ist; beim kleinsten Geräth das sie täglich berührte, Stich auf Stich ins Herz! Welch ein Frühling von Blüthen im Garten! vor dem wir das Gesicht abwenden müssen.
Wenn wir zusammenkommen bei Dir o da soll die Ada und die Mutter neu aufleben trotz tausend Toden. Nicht wahr? Was kann vierfache Liebe nicht für Wunder thun. Wir lieben uns und wissen, daß uns die Seligen lieben! Ach wenn ich Ihrer werth wäre. Wie viele Thränen hat mich das heutschon gekostet und wird es noch. Ich habe Alles in Clärchens Herz ausgeschüttet.
Lebtwohl! Ewig
Dein Eduard.